Orgelbau Günter Hardt & Sohn
 
Die Geschichte des Orgelbaus in Möttau
   

Originalzeichnung von Daniel Raßmann
gezeichnet zu Burgdorf Canton Bern in der Schweiz im Oktober 1813


Firmengründer
Daniel Raßmann (1790 – 1864), Sohn einer Pfarrersfamilie aus Aßlar erlernte das Orgelbauerhandwerk bei Christian Weil in Neuwied.  Nach seiner Lehrzeit arbeitete Raßmann bei einem der Orgelbauer Bürgy in Gießen oder Burgholzhausen. Die anschließende Wanderschaft führte ihn 1813 nachweislich in die Schweiz zu dem Orgelbauer Caesar (Burgdorf im Kanton Bern) und wahrscheinlich bis Pommern. Nach einiger Zeit bei Christian Ernst Schöler in Bad Ems gründete er 1820 eine eigene Werkstatt, zunächst in Weilmünster. Die verkehrsgünstige Kreuzung zweier Fernstraßen am Einhaus bewog ihn wohl, das freigewordene und zum Verkauf stehende Forsthaus im Dörfchen Möttau zu erwerben. Nach größeren Umbauarbeiten an dem alten Forsthaus, das heute noch ein Teil des Betriebes ist, zog er 1824  in seine neuen Räumlichkeiten um.
Daniel Raßmann war um die Mitte des 19. Jahrhunderts neben Friedrich Voigt in Igstadt bei Wiesbaden einer der beiden prägenden Orgelbauer im Land Nassau.

Von kleinsten Instrumenten (Neesbach 1825, einmanualig mit 7 1/2 Registern) bis hin zu repräsentativen Werken (Steinfischbach 1843, zweimanualig mit 23 Registern) erfüllte er alle Anforderungen an den ländlichen Orgelbau.
Als einer der Söhne Raßmanns übernimmt Gustav Raßmann (1833-1906) 1860 die Werkstatt. Er scheint Kontakte ins „Ausland“ gepflegt zu haben, mindestens zum Orgelbauer Holländer in Feuchtwangen und passt sich so nach 1880 den modernen Entwicklungen durch den Übergang zur mechanischen Kegellade an. Ab diesem Zeitpunkt werden auch zunehmend Orgelteile von anderen Firmen bezogen. Einmanualige Instrumente um 10 Register (Klangfarben) sind die Regel; vereinzelt sind Werke bis 23 Registern entstanden. Gelegentlich tritt als zweites Manual eine Physharmonika (Zungenregister ähnlich wie bei einem Harmonium) auf. Ein solches Register ist heute nur noch sehr selten erhalten, wie zum Beispiel in Brandoberndorf und Kröftel. 

Die Orgel in Neesbach (Daniel Raßmann 1825, I/P/7,5)

Daniel Raßmann 1851 (I/P/10) ehemals. Berg-Ewersbach heute im Freilichtmuseum Hessenpark bei Neu-Anspach (Kirche Ederbringhausen)
Der Ausstoß von Orgeln bis dahin ist bemerkenswert: von Daniel Rassmann sind innerhalb 39 Jahren bislang 41 Neubauten nachweisbar, von Gustav (bis 1906) nochmals 21 Neubauten.  
Ein weiterer Sohn, Theodor Christian Raßmann (1822-1866) war auch Orgelbauer und machte sich 1859 ebenfalls in Möttau selbständig, nachdem er bei tüchtigen Meistern in Stellung gewesen war. Er galt als schlechter Orgelbauer, bezeichnete sich als politisch konservativ  und konnte im Gegensatz zu seinem Bruder Gustav, der zur Fortschrittspartei gehörte, nur wenige Orgelbauten ausführen.
In einem Gesuch mit der Bitte zur Übertragung des Orgelneubaus für die Kirche in Brandoberndorf schreibt er: ... „Ich bin ein zur conservativen Parthei gehörender Unterthan sowie ein bedürftiger Familienvater. Da im Bunde zur Fortschrittsparthei gehörende Bruder bei weitem nicht so bedürftig ist als ich und die Orgel in die neue Kirche nach Limburg hat, Weil in Weilmünster im Orgelbau wenig Erfahrung hat und bedeutendes Vermögen besitzt, bitte ich hohe Behörde unterthänigst um Überlassung der Erbauung der erwähnten Orgel“...
 
Weiter schreibt er: ...“Durch mir entgegengesetzte Verfolgung missgünstiger Geschäftsgenossen, habe ich in etwa 6 Jahren, da ich ein selbständiges Geschäft betreibe, erst 2 neue Orgeln, die eine nach Gemünden, letztere nach Kleeberg zu großer Zufriedenheit geliefert“. Im Gegensatz zu seinem Bruder scheint es ihm also sehr schlecht gegangen zu sein. 
Grund dafür, dass er im väterlichen Betrieb nichts werden konnte, ist einem Scheiben von Daniel Raßmann an die Gemeinde Aßlar (11.2.1859) zu entnehmen, in dem er schreibt: „er habe viel Kreuz getragen“. Im vorigen Herbst sei seine Frau gestorben und er habe viel Kummer wegen seines Sohnes Theodor, der ihn kürzlich misshandelt habe und den er aus dem Hau verwiesen habe. Auch des Diebstahls wurde Theodor beschuldigt.
Der dritte Sohn, Wilhelm Raßmann, erlernte ebenfalls das Orgelbauerhandwerk und war 1857 bei Förster in Lich angestellt. Nachrichten über seine Tätigkeit sind nicht bekannt.
 

 
Die Orgel in Westerburg (Gustav Raßmann 1889 II/P/16) 

Alter Briefkopf von Wilhelm Raßmann aus dem Jahre 1924

Ein weiterer Orgelbauer mit Namen
Wilhelm Raßmann (1861-1942) war der Sohn von Theodor Christian. Er setzte sich aber schon 1881 nach Amerika ab. Nach den Kriegsjahren des 1. Weltkrieges kehrte er nach Deutschland zurück, machte sich ebenfalls in Möttau selbständig, und warb als Nachfolger von Gustav Raßmann um Aufträge. Dies wurde ihm gerichtlich untersagt, da Gustav Raßmann bereits 1896 seinen Betrieb an seinen ersten Gesellen August Hardt (1861-1946) verkauft hatte, der sich verpflichtete, den Namen Raßmann bis zu dessen Tod 1906 weiterzuführen.
 
Danach werden nur noch wenige neue Orgeln gebaut. Man spezialisierte sich auf Reparaturen und Wartungen, wobei Neubauaufträge der Firma Steinmeyer in Oettingen überlassen wurden.
Sein Sohn Alfred Hardt (1900-1960) setzte ab 1930, nachdem er mehrere Jahre bei der Firma Steinmeyer gearbeitet und sich dort auf den Spieltischbau spezialisiert hatte, die Orgelbautradition in Möttau fort. Fehlende Werkstatträume und das Fehlen der notwendigen Maschinen schließen zunächst den Neubau von Orgeln aus – moderne Techniken im Orgelbau erfordern eine entsprechende Werkstatteinrichtung. Erst ab 1938 sind wieder Neubauten nachweisbar. 
Der große Umbruch findet statt unter
Günter Hardt (*1933). Er schafft mit neuen Werkstatträumen und entsprechender Ausstattung den Rahmen, um im ererbten Arbeitsgebiet (Taunus, Westerwald, Frankfurt) konkurrenzfähig zu sein. Um- und Neubauten übertragen den Typ der „Dorforgel“ in den Stil dieser Zeit und erreichen als opus magnum eine Größe von 29 Registern (Usingen 1972). Daneben spielt die Pflege älterer Instrumente eine erhebliche Rolle, wobei die Entwicklung des Kenntnisstandes in der Denkmalpflege allmählich Boden gewinnt.
 

Das Firmengelände in der Hessenstraße 11 im Weilmünsterer Ortsteil Möttau in einer alten Ansicht (c) Repro Markus Hilt aus altem Luftbild
 
Mit der Übergabe an die 4. Generation,
Uwe Hardt (*1964) wird dieser Arbeitsbereich verstärkt. Als Beispiele für anerkannte Restaurierungen und Sanierungen sind zu nennen: Oberliederbach (Friedr. Voigt 1833, I/14), Höhr-Grenzhausen (G. Raßmann 1861 II/13), Niedertiefenbach bei Nassau (Joh. Wilh. Schöler 1752 I/11), Puderbach (Meyer 1887 II/20).
 
Mit einer kleinen Mannschaft werden heute viele der Anforderungen an einen neuzeitlichen Betrieb erfüllt. Ein reicher Bestand an Pflegeverträgen bindet die Werkstatt an den landschaftstypischen Orgelbau. Darin gewinnt sie zugleich den Anschluss an die aktuellen Anforderungen: denkmalgerechter Restaurierungen, qualitäts-steigernde Sanierung von Orgeln der 50-70er Jahre, Klein- und Truhenorgeln, Entwicklungen in elektronischen Spielhilfen und Neubauten mit differenzierter Klanggestalt.